„Mama, ich will nach Hause!“

Die geistig behinderte Victoria (25) will unbedingt zurück zu ihrer Familie doch anstatt das zu erlauben, wird sie im katholischen Behindertenheim der Barmherzigen Brüder mit starken Medikamenten ruhig gestellt, wenn sie ihren Willen äußert. Sie darf keinen Kontakt zu ihrem Verlobten haben, ihren gemeinsamen anderthalbjährigen Sohn darf sie nur einmal im Monat sehen. Auf dem Internetblog Freiheit-fuer-Victoria.de appelliert ihre Mutter an die Grundrechte für ihre Tochter sowie an die Menschlichkeit von Gericht und Jugendamt in Erding – und kämpft für die Entlassung ihrer Tochter aus dem Heim.

(ddp direct) Schwindegg, 5. Oktober 2012. Wenn geistig behinderte Menschen Vater oder Mutter werden, entsteht oft ein großer Berg von Problemen. Patricia Blum kann ein Lied davon singen. Sie ist verzweifelt. Seit mehr als zwei Jahren ringt die 53-Jährige mit Gerichten und Ämtern darum, ihrer geistig behinderten Tochter wieder eine Familie bieten zu können. Seit Victoria 2010 im Alter von 23 Jahren von einem Nicht-Behinderten schwanger wurde und später Sohn Max das Leben schenkte, ist alles anders. Denn seit dieser Zeit, lebt Victoria auf gerichtliche Anordnung hin nicht mehr in der Obhut ihrer Mutter, sondern in einem Heim der katholischen Barmherzigen Brüder für geistig Behinderte im oberbayerischen Algasing. Ihr Sohn Max – inzwischen anderthalb Jahre alt – muss laut Entscheidung des Amtsgerichts Erding bei einer anonymen Pflegefamilie aufwachsen. Nur einmal im Monat darf die Mutter Max für eine Stunde sehen.

Zwangs-Spirale statt Menschenrecht

Victoria will unbedingt zurück zu ihrer Familie. Bei jedem Besuch, bei jedem Telefonat mit mir, fleht mich Victoria an: Mama, ich will nach Hause. Doch anstatt ihr das zu erlauben, wird sie jedes Mal mit starken Medikamenten ruhig gestellt. Zu allem Übel wurde ihr direkt nach der Geburt ihres Sohnes und gegen ihren Willen im Heim der Barmherzigen Brüder eine Zwangs-Spirale eingesetzt. Meine Tochter ist nur noch ein Häuflein Elend. Das Schicksal ihrer Tochter schildert ihre Mutter Patricia Blum auf dem Blog www.freiheit-fuer-victoria.de und appelliert an die Menschlichkeit von Gericht und Jugendamt im oberbayerischen Erding.

Auch den Kontakt mit ihrem Verlobten und Vater von Max, hat Victorias vom Gericht bestellter gesetzlicher Betreuer ihr strikt verboten. Obwohl beide sich lieben und heiraten wollen. Denn der Ex-Flugkapitän, ein ehemaliger Freund von Victorias Mutter, lebte mit ihr und Victoria gemeinsam in einer Wohngemeinschaft. Ihm erlaubt das Jugendamt Erding ebenfalls nur eine Stunde im Monat den Kontakt mit seinem Sohn Max.

Laut Grundgesetz sind geistig Behinderte in Deutschland Nicht-Behinderten gleichgestellt. Nach Artikel 6 des Grundgesetzes stehen Ehe und Familie unter besonderem Schutz des Staates. Auch die UN-Richtlinien über die Rechte geistig Behinderter sind eindeutig: Gleichstellung muss sein! Professor Erhard Fischer, der an der Universität Würzburg den Lehrstuhl für Sonderpädagogik leitet, befürwortet das Recht Behinderter, ebenfalls Kinder zu bekommen. Knapp 2000 Kinder geistig Behinderter leben in Deutschland, Tendenz steigend. Pauschalisieren und Generalisieren nach dem Motto: Das dürft ihr nicht, ist nicht akzeptabel, sagt Professor Fischer.

Das Recht auf Liebe und Familienglück wie alle anderen Menschen auch

Für meine geistig behinderte Tochter gelten Gleichstellung und Menschenrechte offensichtlich nicht, sagt ihre Mutter, die Victoria mit zwei Geschwistern zusammen groß gezogen hat. Doch Victoria hat das gleiche Recht auf Liebe und Familienglück wie alle anderen Menschen auch. Wir wollen als Familie zusammenleben Victoria, ihr Verlobter, Max und ich.

Auch Professor Georg Marckmann, Medizinethiker von der Ludwig-Maximilians-Universität München betont die Bedeutung der Familie im Fall von geistig behinderten Elternteilen. Wenn geistig Behinderte Kinder bekommen, stehen Liebe und Geborgenheit im Vordergrund, die Kinder durch ihre Familie bekommen können, sagt er. Wichtig ist die emotionale Bindung zum Kind. Eventuelle Defizite in der Betreuung müssen durch andere ausgeglichen werden können.

Gegen den Willen der Eltern dürfen Kinder nicht prophylaktisch von der Familie getrennt werden. Auch bei geistiger Behinderung der Eltern nicht, schreibt Professor Joachim Walter von der Evangelischen Fachhochschule Freiburg in seinem Beitrag Selbstbestimmte Sexualität als Menschenrecht im Forum Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Nach der Erfahrung von Professor Walter sind deutsche Gerichte in moralischen Fragen aber bisweilen noch rückständig. Es fällt Richtern schwer, geistig behinderten Menschen mehr zu glauben als zum Beispiel gut situierten Mitbürgern. Obendrein können sich viele nicht vorstellen, dass so genannte gesunde“ Männer sich mit diesen Krüppeln“ einlassen. Sie glauben, wer das tut, muss selbst psychisch krank sein.

Paradoxe Entscheidungen des Erdinger Amtsrichters

Könnte in Fall von Victoria und ihres Verlobten auch am Amtsgericht Erding eine solche Denkweise geherrscht haben? Einige Dinge würden zumindest dafür sprechen: Der zuständige Amtsrichter und der von ihm bestellte gesetzliche Betreuer Victorias bezichtigten deren Verlobten zu Unrecht des sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person. Ein entsprechendes Strafverfahren wurde inzwischen eingestellt. Paradox: Obwohl Amtsrichter Wolfgang Grimm Victorias Verlobten offensichtlich für den Vater von Max hielt und dies seiner Entscheidung zugrunde legte, Victoria von ihrer Mutter und ihrem Verlobten zu trennen, verweigerte er ihm mehrfach die Anerkennung der Vaterschaft sowie des Sorgerechts – obwohl dieser bei seiner Heimatgemeinde eine Vaterschaftsurkunde für seinen künftigen Sohn beantragt und zahlreiche Eingaben beim Amtsgericht Erding dazu gemacht hatte. Mit diesem Vorgehen verhinderte das Gericht, dass Sohn Max nach der Geburt bei seinem leiblichen Vater leben konnte.

Auf Antrag von Victorias Mutter und ihres juristischen Vertreters setzte das Gericht immerhin einen Rechtspfleger ein, der Victorias Rechte vertreten sollte. Allerdings stimmte dieser Rechtsanwalt in allen Punkten den Entscheidungen von Amtsrichter Grimm und dem von diesem eingesetzten gesetzlichen Betreuer zu, anstatt sich für Victorias Wünsche einzusetzen, die statt im Heim zu leben, sofort nach Hause wollte, schreibt Patricia Blum in ihrem Blog. Möglicherweise eine Reflexhandlung denn der betreffende Rechtsanwalt ist Partner in der Kanzlei von Bernd Grimm, einem direkten Verwandten des Amtsrichters.

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Kontakt:
Patricia Blum
Patricia Blum
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