TU Berlin: Einschränkung des Welthandels nützt dem Klima kaum

Gemeinsame Pressemitteilung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und der Technischen Universität Berlin

Vom Gummiboot bis zum Fernsehgerät: der Ausstoß von Treibhausgasen in Ländern wie China entsteht zu einem erheblichen Teil bei der Produktion von Gütern, die dann nach Deutschland oder in die USA exportiert werden. Dies bedeutet aber nicht unbedingt, dass die westlichen Länder ihre Emissionen gleichsam ausgelagert haben und somit Regelungen zum Klimaschutz umgehen. Das zeigt eine neue Studie, die in Nature Climate Change erschienen ist. Stattdessen haben die Forscher des PIK und der TU Berlin eine ganze Reihe von Faktoren für Ungleichgewichte bei den Emissionen dingfest gemacht, darunter die US-Exportschwäche. Ihr Fazit: Eingriffe in den Welthandel, etwa CO2-Zölle, würden die globalen Emissionen wohl nur in begrenztem Umfang mindern.

Der ständig wachsende internationale Handel führt, wie frühere Forschungsergebnisse gezeigt haben, auch zu einem beträchtlichen Transfer von CO2 von einem Land ins andere. Das Treibhausgas ist gewissermaßen in den gehandelten Gütern enthalten, weil es durch den Energieaufwand bei ihrer Herstellung entstand. „Typischerweise führen wir im Westen Waren ein, bei deren Herstellung in ärmeren Ländern viele Treibhausgase freigesetzt werden – und die Frage ist umstritten, wem diese Emissionen zugerechnet werden sollten“, erklärt Michael Jakob vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), einer der Autoren. Brisant ist dies, weil die westlichen Länder sich vielfach ehrgeizige Ziele zur Reduktion ihrer Emissionen gesetzt haben. Würden diese zu einem guten Teil dadurch erreicht, dass emissionsträchtige Industrie einfach in Drittländer verlagert wird, wäre dem Klimaschutz nicht gedient – der Wirtschaft aber vielleicht sogar geschadet.

Fast die Hälfte der CO2-Transfers in die USA hat ihre Ursache im amerikanischen Handelsbilanz-Defizit

„Erstmals haben wir die bekannten Emissions-Transfers jetzt in ihre Bestandteile zerlegt“, so Jakob. Die ökonomische Analyse beruht auf der Auswertung von Schätzungen, die von anderen Forschern im Rahmen vorheriger Studien ermittelt wurden. „Wir können zeigen, dass von dem in Form von Gütern in die USA strömenden CO2 fast 50 Prozent ihre Ursache allein im chronischen amerikanischen Handelsbilanz-Defizit haben“, erklärt Jakob. Die USA stoßen bei der Herstellung ihrer Exporte weniger CO2 aus, als in den Importen enthalten ist, einfach weil sie mehr importieren als exportieren. „Und nur rund 20 Prozent des CO2-Transfers aus China in die USA lässt sich darauf zurückführen, dass sich China gewissermaßen auf die Produktion schmutziger Güter spezialisiert hat“, so Jakob. Nur bei letzterem aber würden etwa Klimazölle greifen können.

Ohne Welthandel könnte der Ausstoß von Treibhausgasen in Ländern wie China möglicherweise sogar höher sein als heute, heißt es in der Studie. Westliche Länder exportieren oft Güter, etwa Maschinen, deren Herstellung viel Energie braucht. Diese Energie wird aber vergleichsweise sauber erzeugt. Hingegen stellt China viele Exportgüter wie zum Beispiel Spielzeug her, deren Produktion relativ wenig Energie benötigt, die aber von emissionsträchtigen Kohlekraftwerken bereitgestellt wird. Müsste China stattdessen mit seinem fossilen Energiemix mehr energieintensive Güter selbst produzieren anstatt diese zu importieren, stiegen die Emissionen. „Eingriffe in den Welthandel könnten also am Ende mehr schaden als nutzen“, sagt Ko-Autor Robert Marschinski von PIK und Technischer Universität Berlin.

„Entscheidend ist, wie sauber oder schmutzig die nationale Energieerzeugung ist“

„Entscheidend für die CO2-Transfers ist also nicht nur der Welthandel, sondern auch die Frage, wie sauber oder schmutzig die nationale Energieerzeugung jeweils ist“, betont Marschinski. Der Blick allein auf die CO2-Transfers könne täuschen. Wenn etwa die EU auf besonders emissionsarme Fertigungsweisen setze, könnte sie stärker zum Importeur von CO2 werden, ganz ohne dass sie ihre Produktion ausgelagert hätte.

„Um handelspolitische Eingriffe wie die viel diskutierten CO2-Zölle dennoch zu rechtfertigen, bräuchte man weitergehende Analysen – die beobachteten CO2-Bewegungen alleine reichen als Grundlage jedenfalls nicht aus“, erklärt Marschinski. „Derlei Maßnahmen können nicht das ersetzen, was wirklich nötig wäre: mehr internationale Kooperation.“ Diese könnte durch globale verbindliche Klimaziele Anreize für Investoren setzen, emissionsarme Technologien voran zu bringen. Effizienzinnovationen könnten finanziell gefördert und regionale Emissionshandelssysteme verknüpft werden, so Marschinski. „All dies könnte auf ökonomisch sinnvolle Weise helfen, von der Politik gesetzte Klimaschutzziele zu erreichen.“

Artikel: Jakob, M., Marschinski, R. (2012): Interpreting trade-related CO2 emission transfers. Nature Climate Change [DOI: 10.1038/nclimate1630] (Advance Online Publication)

Weblink zum Artikel: http://dx.doi.org/10.1038/nclimate1630

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